Futur II – 2026/Bildung

Die letzten Jahre haben mit vielem aufgeräumt. Vor allem mit dem, was als stillschweigender Konsens immer über den Köpfen schwebte, doch nie existierte. Es wurde wieder in einem großen gesellschaftlichen Diskurs über all das gesprochen, was zur Substanz gehört. So auch über Bildung. Die Zeit der Expertenkommissionen, in denen hinter verschlossenen Türen Lernziele, Inhalte und Methoden der einzelnen Institutionen verhandelt wurden, waren vorbei. Wie von einem Wind der Erkenntnis getragen, begannen die Menschen, sich dafür zu interessieren, welchem Menschenbild eine öffentlich finanzierte und getragene Bildung zu folgen hatte und welche Ansprüche die Gesellschaft an die Ergebnisse von Bildungswegen stellte.

Das, was sich in kurzer Zeit vollzogen hatte, stellte alle vorherigen Bildungsreformen an Radikalität in den Schatten. Keiner wollte mehr hören, welche Techniken und Methoden momentan a jour waren, sondern das Interesse fokussierte Standpunkt und Haltung. Eine der heißest diskutierten Fragen war, wie jungen, mittelalten und alten Menschen dazu verholfen werden könne, dem gewaltigen Ausmaß an Information, mit dem sie permanent konfrontiert sind, mit einem eigenen Kompass zu begegnen. Es wurde erkannt, dass das Erlernen von Techniken und die Handhabung von Instrumenten als Schwerpunkt lediglich dazu gedient hatte, unsichere Vollstrecker zu produzieren, die nicht Subjekt, sondern Objekt dessen geworden waren, was der Wille derer war, die nach wie vor alles besaßen und die sich hinter dem Begriff der Algorithmen  versteckten.

Es ging plötzlich darum, Haltung, Standpunkt und einen freien, unbestechlichen Willen zu befördern. Nach einer langen Zeit des instrumentellen Denkens rieben sich die Menschen verwundert die Augen, als sie entdeckten, dass das Menschenbild der Aufklärung mehr zur Lösung des Problems beitragen konnte, als die vielen Handreichungen, die in den Häusern der Instrumente und Verfahren produziert wurden.

Jetzt, wenige Jahre nach dem Beginn des Umdenkens, ist noch nicht klar, wohin die Reise geht. Die Bildungsinstitutionen, die den Diskurs erstens vermitteln und zweitens seine Resultate umsetzen sollen, werden ihrerseits radikal umgestaltet werden müssen. Wenn sich die Inhalte ändern, werden folglich auch andere Methoden gebraucht. Und wenn das Interesse ein anderes ist, ist ebenso logisch, dass andere Menschen den neuen Auftrag der Gesellschaft umsetzen müssen. Diese Nuss ist noch zu knacken.

Die entscheidenden Ergebnisse der 2020/21 eingesetzten gesellschaftliche Diskussion können wie folgt zusammengefasst werden:

  • Es wurde entschieden, alle gesellschaftlich als notwendig erachteten Bildungsmassnahmen den Gesetzen des Marktes zu entziehen, öffentlich zu finanzieren und allen zugänglich zu machen. Gemeinsame Bildung in den öffentlich finanzierten Bildungsinstitutionen wurde für alle Schichten der Gesellschaft obligatorisch.
  • Private Finanzierung von Universitäten wurde untersagt und das Ende der Auftragswissenschaften verkündet.
  • Die Schaffung und Finanzierung von Bildungsinstitutionen wurde davon abhängig gemacht, ob sie transparent, verständlich und attraktiv darstellen konnten, welchem Ziel sie in Bezug auf diejenigen, die in ihnen lernten, folgten. Und diese Ziele mussten sich auf das Wissen, das Können, die Haltung und das Gesellschaftsbild beziehen.
  • Die Bildungsinstitutionen wurden autonomer und dem staatlichen Verwaltungszentralismus in Bezug auf ihre Organisation entzogen. Wie und mit wem sich eine Schule vor Ort organisierte, sollte sie selbst entscheiden können.
  • Es wurde Wert darauf gelegt, Kindergärten, Schulen und Universitäten in das jeweils vor Ort herrschende gesellschaftliche Umfeld mehr zu integrieren. Der Dialog zwischen Gesellschaft vor Ort und der konkreten Bildungsinstitutionen sollte inspiriert werden.

Die technischen und materiellen Möglichkeiten, über die in der Gesellschaft verfügt wird, hatten ihre Monopolstellung in der Bedeutung eingebüßt. Stattdessen drehten sich alle Fragen zunächst darum, worum es bei Bildung ging: Die Urteilskraft.

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